Anna Babka

Frauen.Schreiben - Jelinek.Lesen

Aspekte einer allo-écriture (féminine) in Texten Elfriede Jelineks (nach Hélène Cixous, Luce Irigaray und Julia Kristeva)

 

Macht nichts. Die Autorin ist weg. Sie ist nicht der Weg.
(Elfriede Jelinek, Macht nichts)

FRAUEN.SCHREIBEN. So hieß das Thema des Symposiums, in dessen Zusammenhang dieser Text entstand. Die Frage, wie „Frau“ in Texten von Schriftstellerinnen aus Österreich und China „geschrieben“ wird, sollte in den Blick genommen werden - Elfriede Jelinek stand dabei mit im Fokus der Analysen und ist auch meine Wahl im nachfolgenden Text. [1] Diese Frage nach dem „Wie-Frauen-Schreiben“, die zunächst scheinbar recht simpel und unproblematisch gestellt werden kann, evoziert eine komplexe Auseinandersetzung mit Themen und Problemen, die der Literaturwissenschaft und Literaturtheorie konstitutiv zugrunde liegen - Fragen etwa nach einer potentiellen (,weiblichen') Autorschaft, einer ,weiblichen' Ästhetik, Fragen der Repräsentation von Frauen, hier im Besonderen in Texten von Frauen. Auf dem Spiel steht ein vielschichtiges Gefüge von vermeintlich eindeutigen Zuschreibungen und Zusammenhängen. Doch, um bei der Frage des ,weiblichen' Schreibens zu beginnen, die die Literaturwissenschaft seit geraumer Zeit bewegt: Welche Kriterien erlauben uns zu sagen, dass ein Text ,weiblich' sei bzw. als solcher rezipiert werden könne? Elizabeth Grosz markiert vier potentielle Zugänge zu dieser Fragestellung, nämlich: das Geschlecht der Autorin / des Autors; der Inhalt des Textes; das Geschlecht der Leserin / des Lesers; der Stil, die Poetik des Textes. Grosz hinterfragt indes sogleich die Validität dieser Kategorien. Texte wären, so ihr Befund, „at best [...] feminist or patriarchal only provisionally, only momen- tarily, only in some but not in all its possible readings, and in some but not all of its possible effects“ [2]. Provisorisch und momenthaft vielleicht existiert ein Text, der geschlechtlich markiert ist, in der einen oder anderen Hinsicht, der einen oder anderen Lesart, mit dem einen oder anderen Effekt.

Hinzu kommt, dass es innerhalb der zeitgenössischen ,feministischen' Forschung, wie etwa dem dekonstruktiven Feminismus bzw. einer gender- und queertheoretischen orientierten Forschung keineswegs als feststellbar gilt, was die Termini ,Frau' und ,Weiblichkeit' überhaupt bedeuten. Während der traditionelle Feminismus davon ausgeht, dass es ,die Frau' gibt und damit einen Ort, „von dem die (auch theoretische) Rede der Frau ergehe“ [3], problematisiert z.B. der dekonstruktive Feminismus ,die Frau' als Objekt und Subjekt der (theoretischen) Rede und damit auch den Status seines eigenen Diskurses. Das Weibliche verweist nicht auf einen verborgenen Ort oder eine unterdrückte Möglichkeit, sondern wird als Effekt diskursiver und sprachlicher Anordnungen aufgefasst. Zwischen einem ,traditionellen' Konzept von Frau bzw. Weiblichkeit und einem ,dekonstruierten' liegt eine Zone, in der diese Fragen und Konzepte ausgehandelt und perspektiviert wurden und werden, keinesfalls in einer linearen Abfolge, sondern oftmals gleichzeitig, nebeneinander her, verschränkt. Auf diese Zone der Reflexion und Auseinandersetzung möchte ich in diesem Text mit dem Thema Frauen.Schreiben Schlaglichter werfen, Blickpunkte und Entwicklungspunkte festmachen und explizieren, die für ein Verständnis von Frauen.Schreiben - Jelinek.Lesen lohnend sein können. Ausgangspunkt werden Konzepte der écriture féminine nach Cixous, Irigaray und Kristeva darstellen, die ich auf der Basis literarischer Texte Jelineks (Essays und eher theoretische Texte werde ich nicht berücksichtigen) zu einer allo-écriture-féminine, also zu einer ,anderen' écriture umdeuten werde, im Sinne des Präfixes allo, gelesen als anders, verschieden oder abweichend.

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  • Anna Babka Assoziierte Professorin an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien seit Juli 2014. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen u.a.: Gender Studies / Queer Studies / Postcolonial Studies sowie Komparatistische Theorie und Methodik / Theorie und Methodologie der Literatur- und Kulturwissenschaften / Gattungstheorie und Theorie der Autobiographie.

Anmerkungen


­[1] Vgl.: FRAUEN.SCHREIBEN. Österreichische und chinesische Autorinnen im interkulturellen Vergleich. Symposium. Veranstaltet vom Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum, Mai 2012. Vgl.: www.elfriede-jelinek-forschungszentrum.com/veranstaltungen/symposium-frauenschreiben-2012/ (21.5.2013) (=Website des Forschungszentrums Elfriede Jelinek). 

[2] Grosz, Elizabeth A.: Sexual Signatures. Feminism After the Death of the Author. In: Space, Time, and Perversion. Essays on the Politics of Bodies. New York/London: Routledge 1995, S. 9-25, S. 23-25.

[3] Menke, Bettine: Verstellt - der Ort der ,Frau'. In: Vinken, Barbara: Dekonstruktiver Feminismus. Literaturwissenschaft in Amerika. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992, S. 436-476.